Der vierte Kreuzzug 1202 – 1204
Alexander Schönfeld

Inhaltsverzeichnis:

· Definition

· Der vierte Kreuzzug

· Die Belagerung Zaras

· Die erste Eroberung Konstantinopels

· Die zweite Eroberung Konstantinopels

· Die Folgen des vierten Kreuzzugs

· Fazit

· Literaturverzeichnis


Was ist ein Kreuzzug?

Kreuzzug, Kreuzfahrt, allgemein stellt man sich unter einem Kreuzzug einen von der christlichen Kirche im Mittelalter geförderter Kriegszug gegen Nichtchristen, Ungläubige und Ketzer zur Ausbreitung bzw. Wiederherstellung der katholischen abendländischen Christenheit zur Rückeroberung des Heiligen Landes vor. Die Kreuzzüge fanden vom Ende des 11. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts statt. In den Kreuzzügen verband sich der Gedanke der Pilgerfahrt und der zeitgenössischen Auslegung von Augustinus „gerechtem Krieg“ den man vielleicht auch als Kampf gegen die Heiden verstand, mit mannigfachen politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen. Insgesamt ist der Kreuzzug als eine von Mut, Grausamkeit, Idealismus und Habgier angetriebene Bewegung zu bezeichnen.

Der Vierte Kreuzzug

Im August 1198 rief Papst Innozenz III. zum vierten Kreuzzug auf, dessen Stoßrichtung Ägypten sein sollte. Unter den Kreuzfahrern befanden sich Mitglieder zahlreicher renommierte europäischer Adelsfamilien, wie beispielsweise Markgraf Bonifaz von Montferrat und Balduin von Flandern. Ziel des vierten Kreuzzugs war es, Jerusalem zu erobern, was im Dritten Kreuzzug unter Richard Löwenherz misslungen war.

Für den Transport des Kreuzfahrerheeres hatte man die aufstrebende Republik Venedig erwählt, jedoch kam es gleich zu Beginn des Kreuzzuges zu eklatanten Zwischenfällen. Anfänglich war vereinbart gewesen, das gesamte Kreuzfahrerheer in Venedig zu versammeln. Es sollte ein Heer von 30000 Kreuzfahrern sein, jedoch kamen nur 10000 in Venedig an, da der andere Teil des Heeres über Ungarn in Richtung Jerusalem zog. Im Vorfeld hatte Venedig einen Preis von 85000 Silbermark, zahlbar in vier Raten, für den Transport des Heeres ausgehandelt. Man war beiderseitig von einem wesentlich größeren Heer ausgegangen, welches 4500 Pferde, 9000 Reiter und 20000 Mann Infanterie umfassen sollte. Waas schreibt bezüglich der Heeresgröße: „Die Größe des Heeres ergibt sich daraus, dass man mit Venedig einen Überfahrtsvertrag für 4500 Ritter, ebenso viele Pferde, 9000 Knappen und 20000 Mann Fußtruppen abschloss“. Jedoch fuhren viele auf eigene Faust nach dem Heiligen Land.

Als die 10000 Kreuzfahrer nur dazu in der Lage waren, 51000 Silbermark zu bezahlen weigerte sich Venedig, das Heer überzusetzen. Das Heer, welches bereits im Frühling 1201 in Venedig eingetroffen war, saß fest. Der Proviant wurde knapp und der Schuldenberg steigerte sich enorm.

Der 90 jährige blinde Doge Enrico Dandolo, politisches Oberhaupt Venedigs, unterbreitete den Kreuzfahrern folgenden Vorschlag: Für die Vernichtung der Venedig abtrünnigen Städte Zara (heute Zadar, Kroatien), die 15 Jahre zuvor von Venedig abgefallen war, und dem König von Ungarn unterstand und Dalmatia an der Jugoslawischen Seite der Adria erkläre er sich bereit, das Heer überzusetzen und die Schulden zu erlasse.

Trotz enormer Proteste seitens Innozenz III. ging der französische Anführer des Kreuzzuges Bonifatius von Montferrats auf das Angebot ein, wodurch der Vierte Kreuzzug zu einem Wirtschaftskrieg im Interesse Venedigs degradiert wurde, dem auch noch Byzanz zum Opfer falle sollte. Die materiellen Interessen überwogen die einstigen religiösen Gedanken der Kreuzzüge.

Wirth schreibt hierzu: „... es war der große venezianische Doge Enrico Dandolo, der mit genialem Weitblick erkannte, dass sich für die Republik Venedig eine Sternstunde ihrer Geschichte bot. Ein unwiederbringlicher Zeitpunkt schien gekommen, um nicht nur in Dalmatien für die Venezianer wichtige Häfen in Besitz zu nehmen, sondern darüber hinaus als Zwischenbastion auf dem Weg zu den Märkten des Orients ein venezianisch - abendländliches Kaiserreich an den Schwarzmeerengen zu gründen.“ Im Vierten Kreuzzug spielten die Städte Venedig und Byzanz eine entscheidende Rolle. Venedig als Initiator und Byzanz als Opfer.


Die Belagerung Zaras

Die Belagerung von Zara begann am 11.12.1202. Angesichts der Übermacht, musste die Stadt bereits nach 3 Tagen kapitulieren. Die Stadt wurde geplündert und die Beute wurde je zur Hälfte zwischen den Venezianern und den Kreuzfahrern geteilt. Natürlich verlief die Teilung des Raubgutes nicht ohne Zwischenfälle. Überall in der Stadt kam es zu kleineren Gefechten zwischen den Kreuzfahrern und den Venezianern. Die Anführer konnten nur mit Mühe verhindern, dass sich das Heer selbst vernichtete. Als Papst Innozenz von der Eroberung der christlichen Stadt hörte, exkommunizierte er das gesamte Heer. Er ließ sich aber von einer Delegation der Kreuzzügler beschwichtigen und erteilte den Pilgern die Absolution. Nachdem der Kreuzfahrer den Winter in Zara verbracht hatten, brachten sie nicht wie geplant nach Kairo auf, sondern nach Konstantinopel. Der Grund dafür war, das Kairo ein wichtiger Handelspartner von Venedig war und der Doge folglich kein Interesse an einem Angriff auf die Stadt hatte. Als Grund für den Angriff auf Konstantinopel wurde ein Erbschaftsstreit um den Titel des byzantinischen Kaisers angegeben. Der eigentliche Grund dürfte aber der enorme Reichtum der damals größten Stadt der Welt gewesen sein.


Die erste Eroberung Konstantinopels

Am 5. Juli 1203 gelang es den Kreuzfahrern, die Kette zu durchbrechen, die den Hafen sperrte, so dass sie nunmehr in der Lage waren, Konstantinopel von Land und von See zu attackieren.

Am 17. Juli kam es zu schweren Gefechten: die Franken wurden von englischen und dänischen Söldnern auf der Landseite abgewehrt, jedoch gelang es der Kreuzfahrerflotte unter Dandolo, einige Türme zu besetzen. Ohne einen Erfolg seitens der Franken war es jedoch der Flotte nicht möglich ihre gewonnenen Türme zu halten. Alexius III. hatte währenddessen eine Gegenangriffsarmee gegen die Franken aufstellen können, jedoch kam es nie zum Gegenangriff. Obwohl der Angriff des Kreuzfahrerheeres abgewehrt war, floh Alexius III. nachts mit seiner Tochter. Die Zurückgebliebenen befreiten Isaac II. Angelus aus dem Gefängnis und wendeten sich an die Belagerer, um ihnen mitzuteilen, dass Isaac II. wieder im Amt sie und es keinen Grund für weitere Kampfhandlungen gäbe. Es wurde vereinbart, dass die Kreuzfahrer Isaac. II. akzeptierten, wenn dieser seinen Sohn als Mitkaiser anerkenne. Am 1. August 1203 wurde Alexius gekrönt. Venedig hatte erreicht, was es gewollt hatte. Die alten Privilegien wurden wiederhergestellt.


Die zweite Eroberung Konstantinopels

Am 9. April 1204 begann der Kampf um Konstantinopel erneut. Die Stadt hielt der ersten Angriffswelle stand. Am 13. April jedoch erklommen Venezianer die Stadtmauer und ein Stadttor fiel. Murzuphlus floh mit der Familie seines Vorgängers. Die einstmals reichste Stadt der Christenheit wurde völlig ausgeplündert und die Bevölkerung massakriert.

Nach dem dritten Tag der Plünderung wurde die Beute zusammengetragen und, wie zuvor vereinbart, aufgeteilt. „Das Gros der geraubten Kleinodien und Habseligkeiten nahm den Weg nach Venedig“. Von den Plünderungen und Brandschatzungen konnte sich Konstantinopel nie mehr richtig erholen, bis es 1453 and die Moslems fiel.


Die Folgen des vierten Kreuzzugs

Am 5.6.1203 kam es zum ersten Angriff auf die Stadt, doch die Byzantiner konnten sich erfolgreich gegen ihre christlichen Brüder wehren. Erst im April 1204 gelang es den Soldaten Christi die Stadt zu erobern. Die Stadt wurde geplündert und am 16. Mai 1204 wurde Balduin von Flandern der erste lateinische Kaiser von Konstantinopel. Für Byzanz war die Eroberung durch ihre christlichen Brüder der Anfang vom Ende. Das geschwächte Byzanz war nun nicht mehr in der Lage sich den Angriffen der Türken zu erwehren. 1329 eroberten die Türken Nikaia, ein paar Jahre später standen sie am Bosporus, 1356 begannen Sie mit der Eroberung Thraziens und am 29. Mai 1453 eroberte der osmanische Herrscher Sultan Mehmed schließlich Konstantinopel. Das oströmische Reich hatte aufgehört zu existieren.


Fazit

Mit der Eroberung Konstantinopels endete der Vierte Kreuzzug. Die Kreuzfahrer dachten nicht mehr an Jerusalem und trugen davon, was sie erbeutet hatten. Das in Konstantinopel eingerichtete Lateinische Kaisertum hält bis 1261. Die ursprünglich exkommunizierten Kreuzfahrer kehrten nach Westeuropa zurück, jedoch durch den Sieg über Konstantinopel erfreut, befreite Innozenz III., dessen Wirken im Vierten Kreuzzug auch teilweise paradox erscheint, die Kreuzfahrer von ihrem Bann. Man kann die vierten Kreuzzug nur dann als Kreuzzug betrachten, wenn man darauf achtet, dass er von Papst Innozenz III. ausgerufen wurde. Die Eroberung Konstantinopels ist eher als Zufall zu betrachten, der ursprünglich nicht gewollt war, letztendlich jedoch vom Papst begrüßt wurde. Venedig war der eigentliche Sieger des Kreuzzuges. Der alte Doge hatte es verstanden, seine Interessen durch zu setzten und eher versehentlich auch noch Innozenz III. einen Gefalle zu erweisen. Mit der Befreiung Jerusalems und des Heiligen Landes hatte der Vierte Kreuzzug von Anfang an sehr wenig zu tun. Die einstigen Kreuzzugsideale wurden pervertiert. Die wirtschaftlichen Aspekte rückten immer mehr in den Vordergrund. Das Ergebnis des Vierten Kreuzzuges zählt sicherlich nicht zu den Glanzleistungen Innozenz III. während seiner Amtszeit als Papst. Sicherlich war jedoch auch Innozenz III. über das Ende des vierten Kreuzzugs erfreut, auch wenn es sicherlich seine ursprüngliche Absicht gewesen war, Konstantinopel zu erobern. „Papst Innozenz III. war in einer schlimmen Lage: Der Kreuzzug, der sein Zug sein sollte, war nun zum zweiten Mal seiner Führung entglitten.... Es lag nahe, dass der Papst voll Enttäuschung und Entrüstung geantwortet hätte. Aber da war die alte treugehegte Hoffnung auf eine Vereinigung mit der Ostkirche. Sie schien nun endlich erreicht. So ermahnte er die Kreuzfahrer friedlich, für die Unterwerfung der griechischen Kirche unter Rom Sorge zu tragen und doch noch zum Kreuzzug zum Heiligen Land aufzubrechen. Es war zweifellos nicht leicht für Innozenz III.., diese Haltung einzunehmen, aber doch das Klügste, was er unter den gegebenen Unverhältnissen tun konnte“: Waas führt sein Fazit zum Vierten Kreuzzug fort, indem er bezüglich Innozenz III. schreibt: „Außerdem muss die Tatsache, dass ein Kreuzzug so ganz der ursprünglichen Absicht entfremdet werden konnte, ...., das Ansehen des Papstes sehr schädigen...“.

Als Erfolg für den Papst führt Waas jedoch die Eroberung Konstantinopels und die Union mit der griechischen Kirche auf, obwohl der Vierte Kreuzzug Palästina nie erreicht hatte und die „schwebenden Fragen des Heiligen Landes“ nicht gelöst hätte. Wahrscheinlich belastete der Vierte Kreuzzug Innozenz III. auch so sehr, dass er einen neuen Kreuzzug ausrief, den er jedoch nicht mehr erleben sollte.

Literaturverzeichnis

1. Milger, Peter, Die Kreuzzüge, München 1988

2. Mayer, Hans-Eberhard, Geschichte der Kreuzzüge 8. Auflage, Stuttgart 1995

3. Bertelsmann Weltgeschichte Kaiser und Kalifen, Gütersloh 1996

4. Waas, Adolf, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. 1, Freiburg 1956

5. Wirth, Peter, Grundzüge der Byzantinischen Geschichte, Darmstadt 1976