Scholz Brüderchen

Das Brüderchen

Ein Brüderchen von Scholz ist ein Falt bzw. ein Klappwohnwagen bei dem die Wände aus Holz und das Dach aus Zeltstoff sind. Gebaut wurden diese “Faltschachteln” in den 60er Jahren von der Firma Widerøe`s Flyveselskap A/S Fornebu Oslo Norwegen.

Importiert wurden sie für Deutschland von der erloschenen Firma Kurt Scholz aus Köln.

Bericht mit freundlicher Genemigung

Auto Motor Sport 5/1970

Die erste Reisewelle nach dem Krieg schwemmte Urlauber quer über Europa. Damals erblickte man allenthalben auf den Zeltplätzen die aus mehreren Teilen zusamrnengeknöpften, tarnfarbenen Militärzelte. Das änderte sich, als eine aufmerksame Industrie Hauszelte mit Gummiböden anbot und aus der naturverbundenen Zelterei die alle Länder umfassende Camping-Bewegung entstand. Das Schlafen auf Strohschütten und Laublagern entfiel, nach den Luftmatratzen kamen Zeltbetten, schließlich ganze Häuschen auf Rädern. Die waren zuerst ebensowenig bequem wie fahrsicher, wurden aber später so sündhaft komfortabel, daß es viele ihrer Besitzer vorzogen, die in ihnen installierten Küchen nur noch am Wochenende zu benutzen und die Reisewagen zu Gartenlauben zu degradieren. All denen, die sich dieser Zweckentfremdung der Wanderwagen widersetzten und ihren Urlaub nicht im 50 km Umkreis der Städte verbringen wollten, offerierte die Industrie jenes Gefährt, das in den einschlägigen Katalogen unter der Rubrik Zelt-, Falt- oder Klappcaravan aufgeführt wird. Einer der gerade über ein Dutzend zählenden, in Deutschland erhältlichen Klapper, Falter und Zeltwohnanhänger — „Scholz-Brüderchen” aus dem Rheinland — wurde einer Fernfahrt unterworfen, die ihn aus dem Schneetreiben des Westerwalds in die Sonne Südspaniens und wieder zurück zu den Frostnächten der Schwäbischen Alb führte.

Auf Achse

Beim Einhängen der 80 Zentimeter langen Deichsel in die Kugel der Kupplung bemerkt man, daß kaum ein Zugwagen Mühe haben wird, Brüderchen hinter sich her zu ziehen-. Außer auf Glatteis kann eine nicht völlig geschwächte Person den 240 kg schweren Hänger mühelos rangieren. Zu zweit gar ist es ein Kinderspiel. Erfreulich dies geringe Gewicht, denn mancher im Wohnwagenfahren Ungeübte wird es in engen Altstadtgassen vorziehen, sein Gespann auseinanderzukuppeln, stückweise zu drehen und dann in der angestrebten Richtung davonzufahren, statt durch langwierige Rangiermanöver außer dem Unmut der Eingeborenen auch noch den Spott der Mitfahrer auf sich zu ziehen. Dabei sind selbst vertrackte Zwangswenden in Sackgassen mit dem 2,80 Meter langen Nachläufer kein Problem: Das verpackte Haus ist noch nicht einmal 100 Zentimeter hoch, alle seine Bewegungen können aus dem Autoheckfenster leicht übersehen werden. Beim Hinterherrollen verhält sich Brüderchen- spurtreu: Brav folgt es dem Zugwagen, im Rückspiegel bemerkt man kaum ein Auf und Ab des in Norwegen gebauten Wagenkastens der sich auf einer drehstabgefederten Achse (System Porsche). willig über unbefestigte Straßen und durch Schlaglöcher ziehen läßt. Selbst mit aufgesteckten Bootsträgern macht der Anhänger das Gespann nicht seitenwindempfindlich — nur auf die freie Sicht nach hinten muß man dann verzichten. Jegliche Sorge um das Wohlbefinden des Hängers ist beim Fahren überflüssig. Dank der Deichselsicherung kann er sich nicht alleine auskuppeln — und hängenbleiben erst recht nicht, denn mit einer Breite von weniger als anderthalb Metern ist er schmaler als fast alle Zugwagen. Dabei dürfen ihn sogar schmalbrüstige und schwach motorisierte Kraftwagen über Land ziehen: Dank der einfachen Formel zur Berechnung des zulässigen Gewichts von ungebremsten Anhängern können sich sogar Besitzer von Fiat 850, Renault R 4 und Opel Kadett in die Schar der Caravan-Zieher eingliedern, selbst wenn sie ihr Brüderchen bis zum Limit von 400 kg bepacken. Alles sieht anders aus, wenn man ein Boot auf dem flachen Kasten mitführt, das über 150 kg wiegt. Zwar kann man zu diesem Zweck eine 600 kg Achse bekommen (Aufpreis ca. DM 300.—), doch schon beim nur 70 kg wiegenden Schlauchboot ändern sich die Fahreigenschaften des Gespanns entschieden. Der Fahrer, angespannt vom Hochhieven des Wasserfahrzeugs auf die nicht gerade niedrigen Bootsträger, bemerkt ganz deutlich den auf seine Last einwirkenden Wind und schwört höheren Geschwindigkeiten als 60 km/h flink ab. Verständlicherweise ist das bei einem schwereren Boot noch unangenehmer. Auf eine Auflaufbremse kann Brüderchen verzichten, denn Leichtgewichte seiner Art beeinträchtigen den Zugwagen weder in den verschiedenen Fahrzuständen noch beim Bremsen. Der Hänger rollt auf seinen winzigen 440 x 10 (auch 480 x 10 erhältlich) Rädern über alle Unebenheiten auch auf schlechten Wegstrecken und verbotenerweise auch mit mehr als den gesetzlich erlaubten 80 km/h. Brüderchen widersetzt sich höheren Geschwindigkeiten keineswegs — es scheint sich gerade bei unerlaubtem Tempo wohl zu fühlen. Selbst abrupte Brems- oder Lenkmanöver lassen es kalt, folgsam zieht es durch Spitzkehren und schnelle Kurven. Man kommt zügig voran, denn Überholverbote für Pkw mit Wohnanhänger gelten für Brüderchen nicht — es ist zu klein. Das Mitziehen des eigenen Hauses schlägt nicht einmal in der Benzinrechnung zu Buche: Selbst bei geöffnetem Fenster hört man keine heftigen Windgeräusche von hinten, nur das Klappern der Gasflasche im eisernen Deichselkorb, das aber leicht behoben werden kann.

Im Stand

Ist Brüderchen am Zielort gelandet und in Position geschoben, dann zieht man an allen vier Ecken dünne Mondlandefährenbeine hervor: zuerst in der Waagerechten bis zum Einrasten, dann in der Senkrechten. Dank der neunfachen Verstellmöglichkeit kann der Caravan auch auf unebenem Gelände immer so aufgebaut werden, daß später nicht die Teller vom Eßtisch rutschen. Einen ganz schmalen Platz sollte man beim Aufbau nicht wählen, denn wenn man den Falter wohnbereit macht, wird er plötzlich um einen Meter dicker: Die Wohnbreite beträgt 2,55 Meter. Bereits nach dem Aufklappen der beiden Deckelhälften genießt man den Holzglanz des Gabun-furnierten Innenteils. Dieser Genuß hält lange an, denn sowohl die Türwand als auch die Deichselseite bestehen aus dem gleichen koch- und wasserfest verleimten Sperrholz, bei dem auch nach längerer Nässeeinwirkung kein Verziehen oder Wellen auftritt. Zwischen die beiden Giebelteile werden die Seitenwände — ebenfalls aus Sperrholz mittels eines wind- und regendichten Beschlags eingerastet, fest, aber doch so mobil, daß bei warmer Witterung leicht eine der Seitenwände heruntergelassen werden kann und so dem Reisenden den vollen Blick auf Meer oder Gebirge freigibt. Doch vorher ist noch das stabile Dach aufzubringen, dessen 5 Längsverbindungsrohre die vier Holzwände zusätzlich versteifen. Vor dem Richten sollte man die Schlafpolster, die die Reise auf dem Wagenboden machen, tunlichst aus dem Wagen herausschaffen oder auf eine Schlafbank legen, denn zum Einhängen der Firststange benötigt man allen Platz im Wagen-innern. Das doppelt gezwirnte Zeltdach rollt leicht nach beiden Seiten ab — glücklicherweise besteht es nicht aus Plastikfolie. Frischluftfanatiker können in diesem Stadium des Aufbaus schon die beiden Moskitofenster hochrollen und für Luftdurchsatz sorgen oder aber die obere Hälfte der zweigeteilten Tür öffnen. Ist erst der Tisch in der Wagenmitte aufgeklappt, das Küchenregal an der Deichselwand aufgestellt und das Hängebord darüber angebracht, dann verbreitet sich Wohnlichkeit. Dank dem geräumigen Regal und dem darunter befindlichen zweigeteilten Schuh- und Vorratsschrank, den man schon zu Hause füllen kann, herrscht im Wagen gute Ordnung; Kleidersäcke finden an den Stirnseiten ausreichend Platz. Schlafutensilien, Wäschereserven und Waschzeug werden in den zwei Meter langen, 50 Zentimeter breiten und recht tiefen Staukästen unter den Schlafplätzen verpackt, auch das kann schon am Heimatort geschehen. Gaskocher, Lampe, Spülbecken und Topfsätze haben während der Fahrt auf dem Wagenboden ausreichend Platz. Verfügt man noch über die am Unterteil der Eingangstür angebrachte Gasheizung, dann ist die Herstellung von heimeliger Atmosphäre selbst bei unangenehmen Außentemperaturen leicht. Bei geringem Gasverbrauch kann man durch die drei Plexiglasfenster getrost auf das Wüten der Elemente hinaussehen. Brüderchen selbst reagiert auf Wettereinflüsse und Windböen gar nicht. Ängstliche Gemüter, die der Wetterfestigkeit des Klettenverschlusses an den Moskitofenstern nicht trauen, können noch ein zusätzliches Plastikfenster einkleben.

Tag und Nacht

Im aufgebauten Anhänger finden tagsüber auf den breiten Bankflächen bis zu acht Personen Sitzplätze. Die Umwandlung des Aufenthaltsraumes zu einem Wagon-Lit geschieht gen Abend: über den Seitenbänken, die zwei bequeme Betten abgeben, können zwei Zusatzlager eingehängt werden, die trotz ihres geringen Eigengewichts von nur 4 kg selbst Schwergewichte bis zu hundert Kilo ertragen. Sind Flitterwöchner an Bord, die auf ein Doppelbett ungern verzichten — auch da ist vorgesorgt: Ihre Schlaffläche (204x120 Zentimeter) erfordert allerdings die Entfernung einer Hälfte des Küchenschrankes. Selbst wenn sechs Personen mit einem Brüderchen in Ferien fahren wollen, geht das: Mit zwei Doppelbetten und zwei Einhängelagern, nur müssen Küche und Kleider, Tisch und Töpfe dann in das zusätzlich erhältliche Vorzelt ausweichen. Bei Normalbesetzung - ideal ist der Wagen für 2 bis 4 Personen - braucht niemand auf dem Tisch zu schlafen, wie es in vielen Starrcaravans immer noch vonnöten ist. Selbst wenn teilnehmende Urlauber ihre Ferienzeit als Bettlägerige verbringen wollen, stören sie den allgemeinen Tagesablauf im Brüderchen nur geringfügig: Während auf der einen Seite die Schläfer ihren Träumen nachgehen, kann man Gästen auf der gegenüberliegenden Bank Sitzplätze und Getränke anbieten. Selbst Säuglinge, die im Zusatzbett über der Küchenanrichte liegen, werden nicht aufgeweckt.

Resultat

Scholz-Brüderchen ist für die Zigeuner unter den Campern ideal, die nicht auf einigen Komfort verzichten möchten, dennoch aber beweglich bleiben wollen. Auf Auto- bahnen und Schnellstraßen, auf schmalen und schlechten Wegen gibt der Anhänger keine Probleme auf. Darüber hinaus stellt er keine Ansprüche an teure Winterquartiere: Selbst in kleinen Garagen kann er seitlich oder hochkant an die Wand gestellt oder gar auf Zusatzrollen in den Keller zum Winterschlaf gerollt werden. Trotz dem nicht ganz niedrigen Anschaffungspreis von 3800 DM, der dem von preiswerten Starr- caravans entspricht, bietet dieser Falt- wohnwagen Vorzüge, die vor allem der Ferntourist schätzt, selbst wenn nicht jeder gleich die Idee hat, sein Brüderchen im Schlepp eines 2 CV nach Gibraltar zu ziehen.

Original Prospekte

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